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Als Audorf noch ein Kinderheim hatte
978-3-928143-91-2

Ich lass mich nicht auf Händen tragen …
Leseprobe: MARGIE

»Hi, Nele, wie sieht´s aus?« Margie kam in die Reithalle, ich hatte gerade mein Pferd Space fertig geritten und öffnete die Trense, um ihn wieder in die Box zu bringen. Space schnaubte zufrieden, er war beim Training besonders artig und folgsam gewesen, ich hatte allen Grund, zufrieden zu sein und ihn intensiv zu loben.

»Hast du ein wenig Zeit für mich, wenn du fertig bist? Ich muss mal mit dir reden, hab da so ein Problem«

»Aber sicher, Margie, ich wollte sowieso mal eine Pause einlegen, hab auch schon alles so weit fertig für heute. Wollen wir einen heißen Kakao trinken?« Es war ein noch recht kalter Tag, obwohl wir schon April hatten, die Sonne schien zwar vom strahlend blauen Himmel, aber es wehte ein ziemlich eisiger Wind von Osten. Also immer noch Kakaowetter.

Ich versorgte Space im Stall, deckte ihn warm ein, er bekam noch einen liebevollen Klaps, bevor ich ihn in seine Box zurückstellte.

Margie und ich gingen ins Haus, ich war froh, dass ich mich nach getaner Arbeit in die warme Stube zurückziehen konnte.

»Na, wo drückt denn der Schuh?«, ermunterte ich sie zum Erzählen, denn ich wusste, wenn Margie reden wollte, dann brannte es auch. Sie war eigentlich sehr verschlossen, trug ihre Gedanken für sich alleine im Kopf und quälte sich, wenn sie Probleme hatte, lieber allein. So konnte man Margie natürlich auch jedes Geheimnis anvertrauen, sie würde niemals etwas verraten, niemals!

»Folgendes ist passiert, Nele. Martin hat mir einen Heiratsantrag gemacht« Sie stockte, räusperte sich, und versuchte, meinen Blicken zu entgehen, indem sie aus dem Fenster schaute. Margie war verlegen, ihre Hände fuhren fahrig durch ihre Frisur, nervös biss sie sich auf ihre Unterlippe.

Ich fand es gar nicht schlimm, dass Martin sie heiraten wollte, sie kannten sich seit drei Jahren, lebten seit einem Jahr zusammen, waren ein wirklich hübsches Paar. Sie liebten sich, das war nicht zu übersehen, machten viel gemeinsam, teilten sogar ihr Hobby. Beide hatten einen guten Job, vor einem halben Jahr war in ihnen sogar der Wunsch nach einem Kind erwacht. Die Wohnung, in der sie lebten, war groß genug auch für drei Kinder, ich konnte absolut kein Problem sehen.

»Und kannst du mir nun mal sagen, was daran falsch sein soll? Ist doch alles okay mit euch, ich denke, ihr zwei habt alle Voraussetzungen für eine gute Ehe.« Ich lachte. »Und denk mal dran, was ihr für Steuern sparen könnt.« Schwer, Margie aus der Reserve zu locken.

»Ach, weißt du, Nele, das ist eigentlich kein Problem, ich muss bloß einmal laut darüber nachdenken, wie du immer so schön sagst. Und ich muss es jetzt tun, weil ich Martin für heute Abend die Antwort versprochen habe. Weißt du, das mit dem Heiraten ist so eine Sache. Ich sehe es doch überall, erst ist es die große Liebe, alles ist traumhaft schön. Und dann unterschreibt man so einen Zettel und alles verändert sich, alles wird muss.« Sie seufzte und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich so etwas packe, das scheint doch sehr kompliziert zu sein. Wenn ich Martin aber jetzt ein Nein gebe, wird er denken, dass ich ihn nicht mehr liebe, sage ich ja, werde ich bestimmt unglücklich.«

Wieso das denn?« Jetzt war ich neugierig. »Glaub mir, die Ehe ist kein Käfig. Ihr seid beide intelligent und großzügig. Und mit euren dreißig Jahren habt ihr eure festen Vorstellungen vom Leben, seid beruflich gut integriert und absolut keine halbgaren Teenies mehr.« Ich machte eine Pause, atmete tief durch. »Was stört dich denn an eurer Beziehung, was du nicht mit Martin besprechen könntest?«

Ein Hauch von rosiger Frische zog über Margies Wangen. »Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll, Nele, es ist mir ein wenig unheimlich, darüber zu reden, aber ich habe mir gedacht, wenn jemand mich einschätzen und verstehen kann, dann bist du es. Also: Martin möchte gern Kinder, will heiraten, ich weiß, dass er mich wirklich liebt. Und doch -« Margie holte noch einmal tief Atem »Also gut - in letzter Zeit schläft er kaum noch mit mir. Erst habe ich gedacht, dass er einfach zu viel zu tun hat, du weißt, bei ihm in der Firma ist der Teufel los, seit sie den neuen Werbefachmann eingestellt haben. Es ist ja auch gut so, denn vorher war sein Arbeitsplatz recht wackelig. Im letzten Monat hat er dann aber sogar eine Gehaltserhöhung bekommen. Eigentlich ist alles bestens. Und auf einmal zieht er sich von mir zurück, dreht sich abends auf seine Schlafseite - gute Nacht, Liebling - und schläft einfach ein. Maximal ein Mal in der Woche hat er noch Lust auf mich, das war früher ganz anders. Ich brauchte nur mit meiner flachen Hand langsam über seine Schenkel oder seine Brust streichen, dann ging es ab. Und er hat mich wirklich verwöhnt mit seiner Erotik, ein sanfter, zärtlicher und doch leidenschaftlicher Liebhaber war er bis vor kurzem.« Margie unterbrach ihre Erzählung, schaute verträumt vor sich hin. Ihre rosige Zungenspitze glitt über ihre vollen Lippen. Dann sprach sie wie in Trance weiter.

Ich genieße es so sehr, wie er mich nimmt. Das lange, intensive Vorspiel, heiße Küsse überall, seine zärtlichen Hände, die mich nur berühren müssen, um mich maßlos zu erregen. Wenn er in mich eindringt, vergesse ich alles um mich herum, keine Hemmungen, keine Scheu. Er macht mir so viel Lust, dass ich kaum atmen kann, schon die Art, wie er in mich eindringt, langsam und groß, voll Kraft und doch vorsichtig, bringt mich zu meinem ersten Orgasmus. Ich möchte ihm dann alles geben, hemmungslos und immer wieder. Vor zwei Monaten hat er während des Liebesspiels meine Hände zu meiner absolut feuchten Muschi geführt - Komm, mein Liebling, streichel dich, während ich in dir bin. Mach es, bitte, ich finde es so schön - hat er mir dabei ins Ohr geraunt. Und ich habe es getan, oh Mann! Das war eine wunderschöne Erfahrung. Wir sind zusammen gekommen, es war grandios. Fast glaubte ich, dieser Orgasmus würde überhaupt nicht enden. Es war wie eine neue Erotikaera, aber Martin und ich mochten von Anfang an alles Mögliche ausprobieren. Er fand es schon immer besonders aufregend, wenn ich es mir selber machte. Sah dabei zu und genoss es. So, mit ihm in mir, war es aber viel schöner, ein Hochgenuss!«

»Und für dich ist also der Haken, dass Martin auf einmal nur ganz wenig Sex will?«

Ich musste lächeln. Siedendheiß fiel mir ein Gespräch mit Martin ein, dass ich vor acht Wochen mit ihm geführt hatte. Margie hatte zu dem Zeitpunkt schon auf die Pille verzichtet, schließlich wollten die beiden unbedingt ein Kind. Martin hatte mir erzählt, dass Margie immer ganz enttäuscht war, wenn der Babyplan schon wieder nur ein Plan blieb.

»Nele, du bist doch Krankenschwester, woran kann das bloß liegen? Mach ich irgendetwas falsch?«, wollte er von mir wissen und sah ganz besorgt aus dabei.

Vielleicht übt ihr nur zu oft, bringt bestimmt richtig Spaß. Doch mitunter leidet dann die Spermaquantität etwas. Man braucht zwar nur eines im richtigen Moment, aber wenn nicht genügend da sind, ist der Weg zum Ei eben nicht so einfach.« Ich musste lachen. »Vielleicht solltet ihr nur jeden zweiten Tag Sex haben oder so. Ansonsten, wenn das nicht hilft, müsstet ihr euch einmal medizinisch beraten lassen. Sperma auszählen, alles bei euch beiden überprüfen lassen. Aber ich denke, bei euch wird schon alles in Ordnung sein, ihr seid jung und gesund -«

Martin schien sich also ernsthaft Gedanken zu machen und probte als Erstes den Trick mit der tagelangen Enthaltsamkeit. Später suchte er auch noch einen Urologen auf, der ihm Gott sei Dank bestätigte, das alles wirklich super sei.

Ich schmunzelte. Margie sah mich erstaunt an. »Warum grinst du, Nele? Ich finde das gar nicht so lustig. Martins Liebe fehlt mir unendlich.«

»Nun beruhige dich erst einmal, es ist schon alles in Ordnung. Du solltest, wenn du meine Meinung hören möchtest, Martin ruhig heiraten. Er liebt dich, du liebst ihn, zweifle nicht an eurer Zukunft, es wird bestimmt traumhaft für euch zwei.«

Ich berichtete Margie von dem Gespräch, dass ich mit Martin vor einigen Wochen hatte. »Lass dich nicht verunsichern, Margie, es ist alles okay. Ich finde es sogar richtig schön, dass dein Zukünftiger den Fehler zuerst bei sich gesucht hat. Freu dich und sag ja, Martin wird bestimmt ein ganz toller Ehemann. Aber sprich mit ihm, und hab keine Angst, dass er dich nicht will. Er will dich wirklich.«

Margie atmete erleichtert auf. »Mensch, Nele, was bin ich bloß blöd. Da hätte ich auch selber drüber stolpern können! So ist es eben, manchmal sieht man den Wald vor Bäumen nicht.« Sie kicherte genüsslich vor sich hin und sah endlich wieder entspannt und glücklich aus. »Du liegst wirklich richtig mit deiner Behauptung, dass lautes Denken oftmals die größten Knoten löst -«

Richtig, das war eine von den wichtigsten Erfahrungen, die ich im Laufe meines Lebens gemacht hatte.

Wie gut, dass ich sie mit Margie teilen konnte.

Margie und Martin sind inzwischen seit fünf Jahren verheiratet, das dritte Kind ist gerade geboren worden. Der Kontakt zu ihnen ist immer noch herzlich und intensiv, mitunter besuchen sie mich, wenn sie auf einer Stippvisite aus Belgien da sind. Keiner von den beiden hat bis heute den Schritt in die Ehe bereut, im Gegenteil, sie genießen die Entscheidung auch jetzt noch.

Bei ihrem letzten Besuch nahm ich Margie zur Seite. »Naaa? Immer noch so schön und aufregend?« Sie lächelte mich nur an, legte ihren Zeigefinger auf ihre gespitzten Lippen. »Psssst! Danke dir, Nele!«

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