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Mit dem Kamel durch den Sinai
978-3-928143-34-9

Mit dem Kamel durch den Sinai
Reiseskizzen aus Nordafrika
Leseprobe:

Aisha, Vallée du Dràa

Scherze und lautes Lachen erfüllen das kleine Auto. Said, der Sohn einer befreundeten Familie, unterhält sich gutgelaunt mit dem Alten, den wir als Anhalter vor einigen Kilometern mitgenommen haben. Er heißt Mohammed und ist als Müller ein angesehener, würdiger Mann, der im Nachbardorf, einige Kilometer oder eine Stunde Fußmarsch entfernt, wohnt.

Seine weiße Djellabah ist makellos sauber, er trägt die traditionellen Babouches an den Füßen, benutzt beim Gehen einen geschnitzten Gehstock aus dunklem Holz und trägt quer über der Brust eine reich bestickte, durch jahrelangen Gebrauch schon brüchig gewordene Tasche aus hellem Kamelleder. Unter einem weißen Cheche, der sein dunkles, verwittertes Gesicht umrahmt, blitzen die Augen neugierig hervor, sie strafen seine ehrwürdige, vom Alter gebückte Körperhaltung Lügen. Ebenso flink wie seine Augen geht auch seine Zunge und zwischen den rauhen, kehligen Lauten quillt immer wieder herzhaftes Gelächter hervor. Sie versuchen, ihre Scherze für mich zu übersetzen, aber ich bin mit den Schwierigkeiten der holperigen und teilweise versandeten Piste vollauf beschäftigt und höre nur mit halbem Ohr zu.

Das Haus des Müllers liegt am Rande eines Dorfes auf einem Felsen hoch über dem Tal, dort, wo in Regenzeiten ein Gebirgsbach mit starkem Gefälle zu Tal saust und die Mühle antreibt. Mit seinen fahlroten Mauern vor der Kulisse der steil abfallenden Felswand wirkt es imposant und wohlhabend, und ich merke dem alten Müller seinen Stolz wohl an, als er mit großer Geste bergauf weist: »Seid meine Gäste, seid willkommen in meinem Haus! Mein Haus ist das Eure!«

Ich freue mich darauf, sein Gast zu sein, er gefällt mir.

Tief gebückt betreten wir durch eine niedrige Haustür sein Heim, wo uns seine Frau formell willkommen heißt und in einen mit Teppichen und weichen, buntgeblümten Polstern prächtig ausgestatteten Raum bittet.

Aus den niedrigen, schmalen Fenstern haben wir einen grandiosen Blick über das weite, staubige Tal bis hinüber zu dem grünen Band der Palmengärten am Fluß.

Aisha, die Schwiegertochter des Müllerpaares, deckt den Tisch mit Plätzchen und dunkelgelbem Honig, mit weicher Ziegenbutter und einem grobkörnigen Kakao-Zucker-Gemisch. Fladenbrot kommt auf den Tisch und Kaffee in kleinen Gläsern. Sie bewegt sich energisch und geht geschäftig umher, so daß ihre langen und weiten Röcke um ihre Fesseln schwingen. Ihre hennagefärbten Hände ordnen die Teller, und es dauert eine Weile, bis sie schließlich zufrieden ist.

Sie ist eine schöne junge Frau von etwa fünfundzwanzig Jahren, ihr schmales, hellhäutiges Gesicht mit der geraden Nase wird beherrscht von großen, ernsten Augen, die sie jedoch gesenkt hält. Nur einmal hat sie mich kurz und prüfend angeschaut, jetzt sind ihre Augen niedergeschlagen, und sie schweigt.

Neugierig lugen Kinder um die Ecke, sie beäugen die Gäste mit großen, dunklen Augen und beobachten vor allem mich, die fremde Frau.

Der Müller holt Fatima herein, seine achtjährige Enkelin, die ihren kleinen Bruder in einem Tuch sicher auf dem Rücken trägt. Sie ist schmal und zartgliedrig wie ihre Mutter und geht gebeugt unter der Last des Kindes. Sie hält die Hände hinter ihrem Rücken unter dem Po des Babys verschlungen und stützt so sein Gewicht ab.

Der Kleine hat einen Finger im Mund und schaut über Fatimas Schulter neugierig umher, in Mund- und Augenwinkeln sitzen Fliegen und in seinem verschmierten Gesicht glänzt der Rotz, der aus der Nase läuft. Sein runder Kopf ist kahl geschoren, mit Ausnahme einer Locke in der Mitte, und um den kurzen Babyhals trägt er ein ledernes gris-gris. Beides, der geschorene Kopf und auch der Dreck, sollen verhindern, daß böse Geister auf den kleinen Jungen aufmerksam werden und ihm aus Mißgunst und Neid womöglich ein Leid antun. Davor schützt ihn auch das Lederamulett, in das ein Marabout, ein gelehrter Mann, einige Koranverse eingenäht hat. Und sollte er trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen im zarten Babyalter sterben, kann Allah ihn an der Haarlocke fassen und schnell zu sich ins Paradies hinaufziehen …

Stark duftet der dampfende Kaffee aus den Gläsern, er ist kräftig gewürzt mit Kardamom, Nelken und Rosenwasser und schmeckt ein wenig scharf, ist aber dadurch auch erfrischend und belebend. Der Müller reißt einige Stücke vom großen Fladenbrot ab und teilt es mit Würde an uns aus. Wir tunken es in die mittlerweile halbflüssige Ziegenbutter, anschließend in den Honig – und es schmeckt köstlich. Der einzige Löffel geht reihum, mit ihm wird das bittersüße, krümelige Kakao-Zucker-Gemisch gegessen, das ich nur mit einem Schluck Kaffee herunterbringe. ...

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